20.02.17: Pädagogisches Manifest, Folge 7
Kategorie: Lernkultur
Eingebracht von: Helmut
Teil 2.1: Das "Arbeitskapital" des Pädagogen
Im Bewusstsein des Pädagogen darf kein Zweifel darüber bestehen, worin sein eigentliches "Arbeitskapital" besteht.
Es hat nichts mit Geld zu tun, und ist genau so wenig seine Strenge, wie es seine Großzügigkeit ist. Unbestritten sind diese Eigenschaften - weise eingesetzt - von großem Vorteil. Worin besteht dann sein Kapital?
In Wahrheit bringt der junge Mensch seine Bereitschaft mit und legt sie im vollen Vertrauen in die Hände des Pädagogen. Dies ist tatsächlich sein einziges Kapital. Der junge Mensch möchte Bildung erwerben und für dieses Ziel nach Kräften beitragen, mitwirken. Diese Bereitschaft ist das einzige Kapital des Pädagogen, er muss damit sorgsam umgehen. Wenn er dieses vergeudet, bleibt ihm nichts - außer Überredung, Belohnung, Strafe oder Gewalt.
Diese Bereitschaft ist "von Natur aus" in jedem jungen Menschen vorhanden, bis er von der erwachsenen Umwelt davon "überzeugt" wird, dass weder seine Bereitschaft erwünscht, noch seine Einzigartigkeit anerkannt sind. Wer daran zweifelt, hat leider noch nie das Glück erlebt, ein gesundes freies Kind beim Lernen zu beobachten.
Herkömmliche Methoden der Erziehung haben in Strenge, Zucht und Ordnung besondere Werte gesehen. Viel zu oft wurde damit die Einzigartigkeit junger Menschen gebrochen und durch "braven Gehorsam" ersetzt - die Weltliteratur legt dafür beredetes Zeugnis ab. Desinteresse oder Weigerung wurden als straf-würdige Persönlichkeitsmängel betrachtet, die "ausgetrieben" werden mussten. Und ein zum Nachgeben führendes Überreden oder Verspechen auf Belohung hat mit der natürlichen Bereitschaft nichts mehr zu tun. Damit entwickelt man eher eine Bereitschaft zur Prostitution.
In Wahrheit jedoch ist für jeden, der ausreichendes Verständnis des Menschen entwickelt hat, offensichtlich, dass solche Ablehnung nur (ungeschickte) Reaktion gegen die erfahrene Behandlung ist, mit der der junge Mensch nur seine Integrität schützen will, sie zu verteidigen sucht.
Anscheinend war es für viele "Pädagogen" ein Geheimnis, die natürliche menschliche Bereitschaft zur Kooperation, zu sozialem Verhalten und zur Beitragswilligkeit zu bewahren und zu fördern. Die an sich korrekte Beobachtung, wie Tiere auf Belohnung und Strafe "reagieren", schien den wohlmeinenderen Erziehern ein zweckmäßiges Vorbild zu sein. Die weniger wohlwollenden suchten hauptsächlich Zuflucht in der Strafe.
Dieses Muster kann aber nicht auf den Menschen übertragen werden, ohne ihn auf das Niveau eines Tieres herab zu drücken. Mit sehr wenigen Ausnahmen findet sich bei Tieren keine intelligente Bereitschaft, von sich aus einen Beitrag zu vorgegebenen Zielen beizutragen.
Man sah aufgrund dieser Beobachtungen in Belohnung und Strafe geeignete Mittel, erwünschtes Verhalten herbeizuführen. Auf das rein Funktionale reduziert richtete man damit im Bewusstsein des Kindes einen "Reaktionsmechanismus" ein, der eben nur so lange funktioniert, wie das ureigene Bewusstsein des Betroffenen "schläft" oder anderweitig unterdrückt ist. Wer um eines Lohn Willens lernt, ... hm ... reduziert sich zum "gut gehaltenen Sklaven", der keine eigenen Ziele hat, weil er sie gar nicht zu haben wagt. Wer aus Angst vor Strafe lernt,. ist noch ein Stück schlechter dran.
Dass Furcht vor Strafe wohl bei Tieren, nicht aber bei Menschen ein wirksames Motiv ist, sollte jedem beobachtenden Menschen klar sein. Ebenso wenig kann Belohnung ein wirksames Motiv für Wohlverhalten sein. Im Gegenteil wird sie öfter als man erkennt, unsoziales Verhalten wie Gier, Neid, Rücksichtslosigkeit usf. hervorbringen - oder besser: bewirken.
Der höchst einfach Schlüssel zur Bereitwilligkeit des Menschen ist die ehrliche Anerkennung seiner Einzigartigkeit, seines "So-Seins-wie-er-ist", seine natürlich Aufrichtigkeit, als eigenständiges, bewusstes Wesen eine Rolle im Leben einzunehmen und zur Gemeinschaft beizutragen. Jedoch ... erfahrungsgemäß fällt es Menschen, die "moderne Bildung erworben" haben, meistens besonders schwer, diese einfache Tatsache zu erkennen und entsprechend zu leben. Sie haben "gelernt" an Belohnung und Strafe zu glauben.
Trauriger Weise erkennt man nicht den wahren Urheber dieser "Verblendung", und sucht bei ihm im "blinden Glauben an die Wissenschaft" Rettung aus der Misere. Es ist der Behaviorismus, der seine Spuren in buchstäblich jedem modernen Lehrbuch hinterlassen hat und die moderne Bildung prägt. Der Behaviorist sieht im Menschen nichts weiter als ein "Tier höherer Klasse", und bietet sich als moderner "Entwicklungspsychologe" den Regierenden an, die Bildungssysteme umzugestalten.
Vielleicht trägt dieser Artikel zu besserem Verständnis bei: Kann Geist verloren gehen?
Pädagogik als Kunst
Mit Kapital geht man besser weise um, sonst läuft man Gefahr, es zu vergeuden oder zu verlieren. Kapital weise zu nutzen ist eine Kunst, nur neuerdings sucht uns eine neue Philosophie weis zu machen, dass es eine "Wissenschaft" wäre, die zu studieren sei. Wie weit es diese Art Ausbildung gebracht hat, kann man recht gut am herrschenden Finanzsystem der westlichen Welt ablesen. (Ich gestehe, dass mir Wissen um andere Finanzsysteme in unsere Welt fehlt, sehe aber durchaus, wie andere Kulturen sich dem Westen anpassen.)
Und dass die Regierungen der westlichen Welt fast ausnahmslos mehr den Geldgebern verpflichtet sind als ihrem Souverän (ihrem eigenen Volke!), dürfte wohl keinem meiner Leser entgangen sein. Wen wundert es da, dass die "Gesetze" dieses Finanzsystems allen anderen Bereichen unseres Lebens übergestülpt werden?
Auch der Pädagoge setzt "Kapital" ein - allerdings kommt sein Kapital nicht von außen und unbeteiligten "Gebern" oder durch Ausbeutung zustande. Es wird vom jungen Menschen in seiner Obhut in Form seiner Anlagen mitgebracht. Für den Pädagogen kommt es nicht darauf an, das Kapital zu mehren, sondern darauf, dass es möglichst weise eingesetzt wird, um reichhaltige, gute Früchte hervorzubringen. Dies zu erreichen ist seine Kunst: Pädagogik.
Pädagogik ist als die Kunst definiert, junge Menschen in Erziehung und Bildungserwerb so zu führen, dass sie ihre besten Anlagen zur Blüte entfalten und Eigenverantwortung entwickeln.
Die Pädagogik einer neuen Lernkultur ist ihren Wesen nach eine Kunst, die Wachheit, Kreativität, Eigenverantwortung und Lebensfreude fördert. Die Pädagogik einer neuen Lernkultur ist deshalb eine kreative Pädagogik. Letztendlich postuliertes Ziel dieser kreativen Pädagogik ist ein fried- und liebevolle, prosperierende, blühende menschliche Gesellschaft ohne Verbrechen.
Kreative Pädagogik
Die Pädagogik einer neuen Lernkultur wurde "kreative Pädagogik" genannt, weil sie ein schöpferisches Ziel hat. Wenn sie Wachheit fördert, bringt sie mehr und größere Wachheit hervor. Wenn Sie Eigenverantwortung und Kreativität fördert, bringt sie mehr Eigenverantwortung und Kreativität hervor. Wenn Sie Lebensfreude fördert, bringt sie mehr Lebensfreude hervor.
Kreative Pädagogik hat also das Leben selbst zum Vorbild: Überall, wo Leben in Erscheinung tritt, schafft es ein Mehr bis zum Überfluss. Zentrales Gut der kreativen Pädagogik ist ein klares Menschenbild, das die geistige Natur des Menschen als wesentlich anerkennt und schützt. Im Menschen sieht sie eine Erscheinungsform des Lebens, die mit Tieren nicht mehr und weniger gemein hat, als Tiere mit Pfanzen gemein haben.
Sie nimmt als Tatsache an, dass der Mensch in Selbstbestimmtsein grundsätzlich das Gute und Förderliche will. Sie nimmt ferner an, dass nur "verzerrtes Denken" ihn dazu bringt, Böses als gut anzusehen und in Folge böse Taten zu setzen. Deshalb besteht kreative Pädagogik nur aus Elementen, welche das dem Menschen eigene Streben nach Gutem fördern; und sie unterlässt alles, was zu "verzerrtem Denken" führen und dieses fördern könnte.
Kreative Pädagogik anerkennt zwar die Existenz des Bösen, versteht es aber als Produkt von Elementen, die das Denken - und damit die Sicht der Welt - verzerren. Dies ist ähnlich dem Bild zu verstehen, das ein Zerrspiegel von der realen Wirklichkeit produziert. Das Böse ist also nichts, das bekämpft werden müsste, sondern etwas, was durch Elimination jener Elemente, die das Denken verzerren, aus der Welt geschaffen wird.
(Auf bildhafte Weise ausgedrückt: Nicht das verzerrte Bild wird bekämpft oder bestraft, sondern der Zerrspiegel wird identifiziert und entfernt.)
Kreative Pädagogik ist darauf angelegt, in jeder förderlichen Weise den Reifungsprozess des Individuums zu unterstützen und dabei auf jede Herabsetzung und Bewertung der Person und der Qualitäten des Lernenden zu verzichten. Für Kreative Pädagogik gehören Fehler einfach zum Lernprozess: Nur ein gemachter, erkannter und korrigierter Fehler ist ein Baustein zum Wissen. Gäbe es keinen Fehler, dann gäbe es auch kaum etwas, das zu lernen sich wirklich lohnt.
Die Ausbildung zum Pädagogen legt daher vor allem Augenmerk auf die Entwicklung der Fähigkeit, einen Lernenden niemals wegen Nichtwissens oder Nichtkönnens zu schelten, herabzusetzen oder zu bestrafen, sondern mit Ermunterung, Zuspruch und Anleitung zu fördern.
Kreative Pädagogik stellt Verfahren samt ihren philosophischen und technologischen Grundlagen für Erziehung und Unterricht als Elemente dieser Kunst bereit. Die (oben erwähnten) selbständigen Sachgebiete Lernkunde und Studierkunde sind Teil der technologischen Grundlagen. Im Bereich der philosophischen Grundlagen werden neben dem Menschenbild der kreativen Pädagogik historische Entwicklungen und Persönlichkeiten der Pädagogik samt ihrem Menschenbild, der von ihnen angestrebten Ziele und von ihnen entwickelten Methoden erarbeitet.
Kreative Pädagogik gesteht keiner irdischen Macht das Recht zu, einen Menschen nach dem Ideal eines anderen zu formen, weil jedes von Menschen geschaffene Idealbild geringer ist als das native Potential. Sollte die gesellschaftliche Entwicklung je dazu führen, dass autoritäre "Lehr- oder Bildungsziele" solcher Art angestrebt werden, dann wird kein Pädagoge der neuen Lernkultur dabei mitwirken.
Vielleicht hilft Ihnen dieses denkwürdige Video, die gnaze Tragweite pädagogischen Wirkens zu erkennen: Die Lüge die wir leben.
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