Teil 1.3, Bildung: Lehren, unterrichten, Schule


Lehren ist die Aktivität, (einen) studierenden Menschen einen Weg zu bereiten, auf dem dieser die gewünschte Veränderung (zum Besseren, zu größerer Herrschaft) erzielen wird. Es ist Menschen einen Weg weisen, sie führen, anleiten, um selbst (eigenes) Wissen zu erwerben.
Das Wort bedeutet aus sprachgeschichtlicher Sicht "(durch Nachspüren) wissend machen" und ist demnach bedeutend mehr als bloß einem einzelnen oder einer Gruppe von Menschen "Stoff vorzutragen".
Der Begriff "wissen" (sowohl als Nomen als auch als Verb) wurde in den vorausgegangenen Teile bereits mehrfach benützt, ohne dass er näher erörtert worden wäre. In jenen Teilen reichte das übliche, verbreitete Verständnis des Wortes, doch im Zusammenhang mit dem Begriff "lehren" in einer neuen Lernkultur wird es erforderlich, es genauer zu betrachten.


Wissen


Wissen ist das (geistige) Abbild einer Wahrnehmung. Wissen ist das (geistige) Resultat, wenn man etwas anschaut, erlebt, erfährt.
Sprachgeschichtlich betrachtet wurde das Wort aus einem älteren Begriff mit der Bedeutung "ich habe gesehen" geprägt. Nimmt man dieses Konzept streng, dann weiß man nur, was man tatsächlich selbst angeschaut und folglich gesehen hat.
Es wäre falsch zu sagen, man weiß etwas, von dem man gelesen oder gehört hat. Text oder Vortrag schildern genau genommen das, was seine Autoren wissen, also "gesehen haben" - und darüber denken.
Ein Leser oder Zuhörer weiß, streng genommen, nur, dass er den Text oder Vortrag gelesen bzw. gehört hat - denn dies hat er "gesehen" im Sinne von tatsächlich erlebt. Weiters weiß er nur, was der Autor berichtet hat - die eigentliche Sache des Berichtes hat er nicht wahrgenommen, hat sie nicht gesehen: Sie war ihm weder im Text noch im Vortrag "vor Augen geführt" worden. Er müsste sich darüber klar sein, dass im (textlichen oder gesprochenen) Vortrag des Autors dessen Meinung, Gedanken und Schlussfolgerungen mit eingeflossen sind.
Genau genommen kann der Leser oder Zuhörer mit Recht nur sagen "ich weiß (jetzt), was der Autor über die Sache berichtet hat". Dies ist sein wahres Wissen, doch um die Sache selbst weiß er (im Grunde noch) nichts! Er wird darüber nur wissen, was er aus eigenem Antrieb tatsächlich angeschaut hat. Wissen ist immer und ausschließlich eine individuelle Angelegenheit.


Wissenschaft


Am Rande sei bemerkt, dass "Wissenschaft" genau wegen dieser Tatsache begründet wurde: Man strebte danach, "Wissen" möglichst "objektiv" und frei von Meinung und Vorlieben zu gewinnen und zu dokumentieren. Als "wissenschaftlich" dürften seither nur solche Niederschriften (Aussagen) gelten, die etwas schildern, das von jedem Nachkommenden im exakt gleichen Umfang und völlig unabhängig von eigener Meinung usw. "gesehen" werden kann.
Wie weit hat sich die moderne Wissenschaft von diesem Ideal entfernt? Heutzutage fragt doch kein Mensch mehr nach den Tatsachen, wenn eine "Autorität" (oder wie man heute zu sagen pflegt: Ein "Experte") seine Meinung im Kleid der Wissenschaft kundtut!
Fernsehen und andere moderne Medien werden heute ebenso gern fälschlich als "Wahrheitsverkünder" angesehen, weil sie (angeblich) "die Wirklichkeit zeigen" - ja, man gewinnt gewisses Wissen aus dem, was einem da vor Auge geführt wird ... doch darf man nicht außer Acht lassen, dass dieses Medium in Wahrheit die "Ansicht dessen vor Augen führt", der es betreibt - und auch nur jene "Wahrheit", die Menschen annehmen sollen.


Wissen und Lehren


Aus diesen und vielen andern Gründen ist es (für eine neue Lernkultur) wesentlich, dass ein jeder, der zu lehren beabsichtigt, ein grund-solides Verständnis von Wissen hat. Nur dann kann er seiner Aufgabe (zu lehren) gerecht werden. Nur dann kann er "einen Weg bereiten", der seine(n) Schüler an die Sache heranführt, damit er/sie "Wissen" über den Lehrgegenstand erwerben kann/können.
Noch etwas wird ersichtlich: Es kann kein "erzwungenes Wissen" geben. Ein Mensch, der sich verschließt, eine Sache anzuschauen, kann über diese Sache kein Wissen erwerben. (Dies gilt natürlich genau so für den Menschen, der gehindert wird, eine Sache selbst anzuschauen und an ihrer Stelle z.B. einen Lehrsatz auswendig lernen soll.)
Drohungen oder Strafen können ihn zwar zwingen, eine Aussage darüber zu machen, doch diese als sein Wissen anzusehen, ist geradezu absurd. Bilden Sie sich bitte selbst eine Meinung über unsere gesellschaftlich gebräuchlichen Methoden, "Wissen in Prüfungen abzulegen". (Meist wird genau das getan: Der Prüfling legt sein (unangenehm belastendes) Wissen ab und kann nie mehr darauf zurückgreifen - er "weiß es nicht mehr", weil er es in Wahrheit noch nie gewusst (gesehen) hat!)
Des Weiteren kann genau genommen im Grund nur jemand Lehrer sein, der die Einzelheiten seines Lehrfaches selbst erforscht, erfahren, gesehen hat. Es dürfte nicht mehr vieler Worte bedürfen aufzuzeigen, dass jemand, der die Befähigung für ein Lehrfach auf "Tatsachen-fernen Wegen" und durch Prüfungen in der oben etwas spöttisch dargelegten Manier erworben hat, niemals "Lehrer" genannt werden und es niemals sein kann.


Lehrer


Lehrer ist jener, der Menschen einen Weg weisen (bzw. sie führen) kann, auf dem sie eigenes Wissen erwerben können. Eigentlich kann nur jemand Lehrer sein, der selbst der Urheber eines (neuen) Wissensgebietes ist. Hier müssen wir "Wissen" einschließlich jeder technologischen Methode oder Entwicklung verstehen:
Egal ob handwerklich, künstlerisch, technisch oder produktiver Art. Denn Technologie ist "Verfahrenslehre" oder "Verfahrenskunde". Technologie zeigt auf, wie ein bestimmtes Ergebnis erzielt wird. Es umfasst so gut wie jeden Bereich menschlicher Aktivitäten: Rechnen, malen, zeichnen, schreiben, programmieren usw. usf, - sie alle sind künstlich geschaffene "Gebilde", die als "Sache" betrachtet werden können und erlernt werden sollten. Auch Maschinenbau oder Stromerzeugung und viele ähnliche Bereiche fallen in den Bereich der Technologie.


Unterricht


Unterricht ist die Aktivität, in deren Verlauf ein Mensch (eine Gruppe von Menschen) einen bestimmten Weg geführt wird, um Wissen zu erwerben.
Unterricht schließt den Vorgang des systematischen Vor- und Aufbereitens von Lehrstoff, um ihn anderen zugänglich zu machen, ein. Unterricht soll den Lehrstoff in einer Weise darbieten, dass er vom Empfänger als Wissen erworben, verstanden und verwendet werden kann. Der Lernende soll es in seinen individuellen Wissensstand integrieren und dadurch eine subjektive Bereicherung erleben können.
Unterrichten ist Unterricht erteilen.
Unterricht kann sowohl vom Lehrer erteilt werden (also vom Urheber des behandelten Lehrstoffes), als auch von einem Instruktor, beide unterrichten.
Die Verben "unterrichten" und "lehren" sind zwar austauschbar, sollten aber unterscheidend verwendet werden: "lehren" ist die Tätigkeit eines Lehrers, also eines Urhebers von Lehrstoff; "unterrichten" ist die Tätigkeit eines Instruktors, also des Vermittlers oder Übermittlers des Lehrstoffes.


Instruktor


Instruktor ist ein Beauftragter oder Stellvertreter eines Lehrers. Er ist nicht der Autor des Wissensgebietes, sondern jemand, der das Wissensgebiet (u.U. nur teilweise) erlernt hat und an Stelle des Lehrers den/die lernenden Menschen führt. Und als Führer lernender Menschen braucht er vor allem pädagogische Ausbildung vor jeder fachlichen Ausbildung.
Sprachgeschichtlich betrachtet geht das Wort auf die lateinische Wurzel "in-" (= hinein, ein-) und "struere" (= fügen, schlichten) mit der Nachsilbe "-or" zur Bildung eines Hauptwortes mit der Bedeutung "der (das Genannte) Ausführende". Der Instruktor "fügt" also gewissermaßen Neues in das Wissen des Unterrichteten (des Schülers) "ein", indem er die Angaben "hinein schlichtet". Er sollte sich bewusst sein, dass "einfügen" voraussetzt, dass die Einzelheiten in das schon Vorhandene passen müssen.
Der Instruktor übermittelt also in der Tat nicht sein eigenes Wissen, sondern die Daten (Angaben), die der Autor (oder Lehrer) über sein Wissen zur Verfügung gestellt hat. Er sollte sich deshalb sehr bewusst sein, dass es dabei primär nicht um die Daten (also um den Wortlaut) geht, sondern um die Sache, von welcher der Wortlaut berichtet.
An dieser Stelle lohnt es sich, den Begriff "Daten" näher zu betrachten.


Daten, Angaben oder Gegebenheiten


Ein Datum ist eine Angabe über eine Gegebenheit oder eine Tatsache. Die Mehrzahlform von Datum ist Daten, dieses Wort bezeichnet einfach eine Mehrzahl von Angaben.
Sprachgeschichtlich geht das Wort auf lateinisch "dare" (= geben) zurück, mit der Nachsilbe "-um" (zur Bildung eines Hauptwortes) bezeichnet es "das Gegebene" oder "die Gegebenheit".
Wenn also ein Lehrer eine Gegebenheit (somit, etwas, was er in seiner Arbeit oder Forschung vorgefunden hat) in einen Wortlaut kleidet, dann formuliert er eine Angabe oder ein Datum. Wesentlich zu verstehen ist hier, dass der Lehrer von der Wirklichkeit spricht, also von der vorgefundenen Gegebenheit.
Die von ihm formulierte Angabe (der Wortlaut über die Gegebenheit) schildert sein Wissen in sprachlicher Form. Die Angabe oder das Datum sind nicht sein Wissen, sie sind eine Mitteilung über sein Wissen. Die Bezeichnung Datum ist nur ein anders Wort für "Angabe", er meint damit die Gegebenheit, das Vorgefundende, das Vorhandene.
Wenn aber ein Instruktor ein Datum nennt, dann ist dies nicht eine Mitteilung über sein Wissen, sondern eine Mitteilung über die vom Autor formulierten Angaben. Der Instruktor zitiert gewissermaßen bloß den Autor. Jeder Instruktor sollte sich dessen völlig zweifelsfrei bewusst sein, denn nur dann wird er sich dem Autor verpflichtet fühlen und dessen Daten unverfälscht weitergeben und vermitteln.


Lehrerbildung?


Weil dieser Umstand in fast jeder praktizierten Form der "Lehrerbildung" unerwähnt und unbehandelt bleibt, gehen daraus Menschen hervor, die glauben, sie hätten im Studium Wissen erworben, das sie dann auf ihre Art und Weise an Dritte vermitteln sollen oder dürfen. Sie fühlen sich in keiner Weise dem tatsächlichen Urheber der Daten verantwortlich, wissen oft auch gar nicht, wer der wahre Urheber ihrer Daten ist, und haben oft auch keinen blassen Schimmer von den Gegebenheiten, von denen die Daten berichten.
Im Grunde sind fast alle an den Schulen unserer Zeit tätigen (sogenannten) Lehrer tatsächlich Instruktoren, die vom Wissen der verschiedenen Autoren (Urheber) ihre eigene Vorstellung auf eigene Art und Weise vermitteln. Nur wenige von ihnen erfüllen die Voraussetzung dafür, wahre Lehrer zu sein.
Als Ergebnis sehen wir echte Lehrbücher von den Schulen verschwunden und an ihre Stelle traten "Arbeitsbücher", die keine Daten enthalten, sondern Lückentexte und Aufgaben zur Automatisierung von Vorgängen. Ein Buch ohne Lehrtext kann natürlich kein Lehrbuch sein. Und die Automatisierung von Vorgängen, wie zum Beispiel "Rechtschreib-" oder "Rechenübungen" dürfte auch nicht "Übung" genannt werden. So werden mechanisch agierende, nicht denkende und nur recht wenig wissende Schüler "gebildet".
Autoren solcher Bücher sind vermutlich Menschen, die weder ein vernünftiges Menschenbild haben noch eine Vorstellung davon, was "lernen" und "lehren" in Wahrheit sein soll, sondern vermutlich viel eher Technologie studiert haben, wie Tiere dressiert werden können.
Als weiteres Ergebnis erlebt man heute unendlich viele oft bis zur Unkenntlichkeit veränderte Daten, die kaum mehr die ursprüngliche geschilderten Gegebenheiten erkennen lassen. In der Folge leitet man Schüler an, "die Daten" auswendig zu lernen, ohne je einen Schimmer der Gegebenheiten wahrgenommen zu haben. An die Stelle der Gegebenheiten (also an die Stelle der Wirklichkeit) treten im Grunde leere "Worthülsen" und stupide eingeübte Vorgänge, die oft auch völlig unverstanden bei Prüfungen "abgeliefert" werden.
Solche Schüler wurden dazu erzogen, dem Wortlaut (den Daten) mehr Gewicht einzuräumen als den Gegebenheiten, die sie nur zu oft auch nie zu Gesicht bekamen. Das Ergebnis sieht man zum Beispiel als Arbeitgeber, wenn Stellenbewerber sich unfähig erweisen, eine Reihe von Zahlen im Kopf oder mit Papier und Stift zu addieren.


Schule


Schule ist (eigentlich) der Ort, an dem Menschen sich zum Lernen einfinden.
Die sprachliche Wurzel des Wortes ist das altgriechische Substantiv "schole", (= die Muße, das in der Arbeit Innehalten (zum Zweck des Studierens)". Aus gesellschaftlicher Sicht betrachtet ist Schule der Ort, an dem der noch nicht zur Arbeit verpflichtete Nachwuchs zum Erwerb von Bildung und Ausbildung, also zum Lernen, zusammenkommt.
In unserer Kultur wird jener Ort, an dem Kinder und Jugendliche (auch Erwachsene) unterrichtet werden, als Schule bezeichnet. Es ist auch jener Ort, an dem Lehrer (richtiger: Instruktoren) ihre Tätigkeit, das Unterrichten, ausüben.